Die Verbraucherzentrale zeigt, wie Stromanbieter versuchen, ihre Kunden um jeden Preis zu halten: Fristgerechte Kündigungen werden ignoriert, mit Werbeanrufen oder Anschreiben wird versucht, die wechselwilligen Kunden zu halten.
Viele Stromanbieter werden ihre Kunden in der Vorweihnachtszeit anschreiben. Geschenke dürfen Verbraucher jedoch nur selten erwarten. Auch in diesem Jahr könnten die Preise trotz sinkender EEG-Umlage und niedriger Börsenpreise steigen und die Briefe der Anbieter transparent oder versteckt die Preiserhöhungen mitteilen. Verbraucher können dann allerdings ihr Sonderkündigungsrecht nutzen und den Anbieter wechseln. Dass Unternehmen sich im Umgang mit einer Kündigung teils rechtswidrig verhalten, bestätigt auch ein aktuelles Urteil gegen die Stadtwerke Schorndorf (LG Stuttgart vom 09.10.20, Az. 31 O 38/20 KfH).
Viele Jahre war Frau N. Kundin bei den Stadtwerken. Die letzte Preiserhöhungsrunde nahm sie zum Anlass, nach günstigeren Alternativen zu suchen. Besonders ärgerlich: Bei der Recherche stellte sie außerdem fest, dass Neukunden beim selben Anbieter Strom zu deutlich besseren Konditionen erhielten. Sie kündigte und suchte sich einen neuen Anbieter. Doch wider Erwarten war der Wechsel damit nicht beendet: Obwohl sie keine Einwilligung dazu gegeben hatte, rief der alte Anbieter Frau N. an und bat sie, ihr ein neues Angebot schicken zu dürfen. N. war einverstanden, nahm das neue Angebot jedoch nicht an. Trotzdem erhielt sie wenige Tage später vom neuen Anbieter ein Schreiben, dass der Wechsel nicht stattfinden könne, weil sie noch ein Jahr bei ihrem alten Anbieter gebunden sei. Dieser hatte die Sonderkündigung schlichtweg ignoriert.
Kein Fairer Umgang mit Verbrauchern
„Wir erleben in unserer Beratung regelmäßig, dass Anbieter mit mehr oder weniger legalen Mitteln versuchen, ihre Kunden zu halten,“ sagt Matthias Bauer, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Neben unerlaubten Anrufen zur Kundenrückgewinnung und abgelehnten Kündigungen sind versteckte Preiserhöhungen und verschleierte Hinweise auf das Sonderkündigungsrecht in den Schreiben der Anbieter ein großes Problem.
Im Falle der ignorierten Kündigung von Frau N. mahnte die Verbraucherzentrale den Anbieter zunächst ab. Da dieser keine Unterlassungserklärung abgeben wollte, erhob die Verbraucherzentrale Klage vor dem Landgericht Stuttgart. Dieses urteilte im Sinne der Verbraucherin (Versäumnisurteil vom 9.10.2020, Az. 31 O 38/20 KfH, noch nicht rechtskräftig).
Gut vorbereitet auf das nächste Schreiben
Da viele Stromanbieter zum Jahreswechsel ihre Preise erhöhen und sie Verbraucher mindestens sechs Wochen vor der Erhöhung darüber informieren müssen, rechnet Matthias Bauer bald mit der nächsten Welle von Preiserhöhungsschreiben. Er fürchtet, dass viele Anbieter die gesunkene EEG-Umlage und die niedrigen Börsenpreise nicht an die Verbraucher weitergeben. „Umso wichtiger ist es, dass Verbraucher die Post vom Stromanbieter in den nächsten Wochen ganz genau lesen“, sagt er. Denn oft verschleiern Anbieter die Erhöhung zwischen blumigen Werbetexten und nicht selten ist der Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht gut versteckt. Doch gerade das ist wichtig, denn „Verbraucher haben bei Preiserhöhungen das Recht, ihren Vertrag bis zum Tag vor der Erhöhung zu kündigen und sich einen günstigeren Anbieter zu suchen“, so der Energieexperte. Preise vergleichen kann sich aber auch dann lohnen, wenn der Preis nicht oder nur moderat steigt, denn langjährige Kunden haben oft teurere Tarife als neue. Worauf Verbraucher beim Wechsel sonst noch achten sollten, erklärt die Verbraucherzentrale auf ihrer Internetseite und in einem kostenlosen Online-Seminar.