Der „kritische Zins“ entscheidet
Seit Wochen ist Baugeld rekordverdächtig preiswert. Falls die momentane Finanz- und Wirtschaftskrise denn überhaupt positive Folgen hat, dann diese. Bevorzugen doch Investoren für ihr Kapital die viel zitierten „sicheren Häfen“, insbesondere deutsche Staatsanleihen. Durch die hohe Nachfrage sind deren Renditen so tief gesunken wie nie zuvor. Entsprechendes passierte mit den Hypothekenzinsen.
So war Mitte Juni 2010 ein Hypotheken-Darlehen mit fünfjähriger Zinsfestschreibung schon für effektiv rund 2,8 Prozent zu haben. Ein Baukredit mit zehnjähriger Festschreibung kostete zirka 3,6 Prozent, mit 15 Jahren um die vier Prozent und mit 20 Jahren rund 4,1 Prozent. „Diese sehr günstigen Baugeldpreise gelten selbstverständlich allein bei Schuldnern bester Bonität“, erläutert Florian Haas, Vorstand der „Schutzgemeinschaft für Baufinanzierende e. V.“ in München. Wer indes auf Grund vergleichsweise geringen Eigenkapitals oder unsicherer Einkommenslage ein Darlehen benötigt, der muss mit einigen Zehntel Prozentpunkten Zinszuschlag rechnen.
Auffallend ist außerdem, dass der Zinsabstand zwischen unterschiedlichen Bindungsfristen ebenfalls so gering wie noch nie ist. Deshalb gleichsam paradiesische Zustände bei der Finanzierung von Wohneigentum. Denn wer momentan ein Hypotheken-Darlehen über – angenommen – 200.000 Euro benötigt, der spart im Vergleich zu den langfristigen Durchschnittssätzen bei zehnjähriger Zinsbindung (gut sieben Prozent) und einem günstigen Kreditanbieter mehr als 6.000 Euro Zinsausgaben pro Jahr. Diese jährliche Ersparnis summiert sich auf gut 60.000 Euro bei zehnjähriger Zinsbindung.
Dennoch stehen offenbar viele Bauherren und Finanzierer vor einem Dilemma. Sie sind nämlich unsicher, „für welche Zinsbindungsfrist sie sich entscheiden sollen“, sagt Experte Florian Haas. Hintergrund: Da die fünfjährige Zinsbindung weniger kostet als die zehnjährige und diese wiederum preiswerter ist als die 15jährige, entscheiden sich viele Finanzierende für eine kürzere Zinsbindung, um Geld zu sparen. „Doch dies kann ein Fehler sein und möglicherweise teuer werden“, warnt Haas.
Denn: Am Ende der Zinsbindung muss das dann verbliebene Darlehen umgeschuldet werden. Sollten bis dahin die Hypothekenzinsen, mag sein auf Grund hoher Inflationsraten, deutlich gestiegen sein, könnten auf den Bauherren große finanzielle Probleme wegen der deutlich höheren finanziellen Belastung zukommen.
Selbstverständlich weiß niemand, wie teuer oder preiswert Baugeld in fünf oder zehn Jahren sein wird. Deshalb bleibt jedem die Entscheidung für die aus seiner Sicht optimale Zinsbindung selbst überlassen. „Gleichwohl sollte man sich die derzeit günstigen Konditionen so lange wie möglich sichern“, rät eindringlich Florian Haas. Zehn Jahre seien das Mindeste, besser 15 oder gar 20 Jahre.
Eine Entscheidungshilfe bietet Finanzierenden der „kritische Zins“. Dahinter steckt eine recht einfache Frage. Nämlich: Wie weit darf, bei einer heute fünfjährigen Zinsbindungsfrist, Baugeld bei der am Ende nötigen Umschuldung steigen, damit jetzt die zehnjährige Zinsbindung preiswerter ist. Beispiel: Angenommen, der Bauherr kann heute ein Fünf-Jahres-Darlehen zu 3,75 Prozent abschließen, zehn Jahre fest kosten 4,5 Prozent. Sollte der Hypothekenzins in fünf Jahren höher liegen als 5,59 Prozent, dann ist heute eine Zinsbindung von zehn Jahren mit einem Festzins von 4,5 Prozent günstiger. Vergleichbar lässt sich der „kritische Zins“ bei der Frage ermitteln, ob jetzt zehn oder 15 Jahre Zinsbindung sinnvoller sind.
„Tendenziell dürften, damit rechnen praktisch alle Experten, auf Grund der hohen Staatsverschuldung die Inflationsraten und somit auch die Hypothekenzinsen steigen“, erklärt Finanzierungsfachmann Florian Haas. Allerdings kämen Bauherren und Finanzierende nicht umhin, sich eine eigene Meinung zur weiteren Zinsentwicklung zu bilden.