Uwe Münzenberg, Sachverständiger für Baubiologie und Gebäudediagnostik, ist Mitarbeiter des Instituts für Analye und Bewertung von Umweltschadstoffen – kurz AnBUS e.V. Das Mitarbeiterteam der gemeinnützigen Einrichtung – bestehend aus Hochbautechnikern, Chemikern, Humanbiologen und Sozilogen – unterstützt Mediziner, Planer und Bauherren dabei, eine Wohn- und Arbeitsplatzumwelt herzustellen, die sich an der Natur orientiert.
Uwe Münzenberg, Sachverständiger für Baubiologie und Gebäudediagnostik, ist Mitarbeiter des Instituts für Analye und Bewertung von Umweltschadstoffen – kurz AnBUS e.V. Das Mitarbeiterteam der gemeinnützigen Einrichtung – bestehend aus Hochbautechnikern, Chemikern, Humanbiologen und Sozilogen – unterstützt Mediziner, Planer und Bauherren dabei, eine Wohn- und Arbeitsplatzumwelt herzustellen, die sich an der Natur orientiert. Im Folgenden gibt Münzenberg einen kurzen Abriss über die Geschichte der Wohngifte und einen Überblick über die komplexe Problematik der so genannten "Wohngifte"
Die Belastung der Innenraumluft von Wohngebäuden durch Holzschutzmittelbestandteile, Biozide, kanzerogene Asbestfasern und Formaldehyd steigt stetig an. Das haben Analysenergebnisse von AnBUS ergeben. Neben dem dadurch verursachten individuellen Leid werden Sozialversicherungsträger übermäßig belastet – Kranken- und Rentenkosten explodieren. Erschreckend ist beispielsweise die Belastung öffentlicher Haushalte allein durch die Asbestsanierungskosten, die innerhalb dieses Jahres angefallen sind. Die Versuche von AnBUS, die unermesslichen Schädigungs- und Schadenspotentiale zu quantifizieren, haben gezeigt, dass umweltschädliches Wirtschaften gesamtwirtschaftlich wesentlich teurer zu stehen kommt, als das bei umweltverträglichem Vorgehen der Fall wäre.
Gerade Schäden in privatem Immobilien, hervorgerufen durch humantoxologische Produkte der Bauchemie, gewinnen einen immer höheren Stellenwert. Oft besteht ein Haus aus einem regelrechten "Cocktail" an Wohngiften.
Langsam ist eine Umdenken von Seiten der Industrie und staatlicher Stellen festzustellen. Die Sensibilität für die Thematik steigt. Das dies nicht immer so war – das sollen einige Beispiele zeigen.
Holzschutzmittel oder der "verführte Konsument"
Die Vermarktung von Holzschutzmitteln für Innenräume in den 70er-Jahren erfolge, obwohl in Fachkreisen längst Klarheit darüber bestand, dass wirkstoffhaltige Anstriche in Innenräumen völlig überflüssig sind. Die Vermarktungspolitik der Heimwerker-Märkte aber zielte werbewirksam auf den Heimwerker, der die Anregung Holz in Innenräumen zu schützen bereitwillig aufnahm. Mit verheerenden Folge: Millionen von Quadratmetern Holz wurden regelrecht vergiftet -gerade sensible Breiche wie Kindergärten und Schulen waren vielfach betroffen.
Das CKW-Syndrom geht um
Noch 1978 kam das Bundesgesundheitsamt in einem damals vorgelegten Abschlussbericht zu der Überzeugung, dass sich gezielte Schutzmaßnahmen zur Verringerung des PCP-Austritts aus alten Holzimprägnierungen in die Raumluft am allgemeinen erübrigen dürften. "Eine Fehleinschätzung mit schlimmen Auswirkungen, wie sich in der Folge zeigen sollte, litten doch zu, damaligen Zeitpunkt bereits eine Vielzahl von Betroffenen an zum Teil dramatischen gesundheitlichen Beschwerden, die unter dem begriff CWK-Syndrom traurige Berühmtheit gewonnen haben. Die Liste der Symptome ist fast uferlos und reicht von Kopfschmerzen, Schwindel und Unwohlsein über neurologische und dermatologische Störungen bis hin zu schweren immunologischen Schäden wie Pseudo-Krupp, Nierenfunktionsstörungen, Bronchialasthma. Aber auch negative Auswirkungen auf den hormonellen Apparat wie Zyklusstörungen, Fertilitätsstörungen und Schilddrüsenstörungen gehören zum Steckbrief des so genannten CKW Sydroms.
Gesetzeslücken – mit verheerenden Folgen
Während es für Arzneimittel oder den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmittel zum Zwecke des Pflanzenschutzes gesetzliche Regelungen und Zulassungsverfahren gibt, dürfen Mittel zur Schädlingsbekämpfung im sensiblen Bereich Innenraum ohne Prüfung auf gesundheitsgefährdende Eigenschaften eingesetzt werden. Schädlingsbekämpfungsmittel sind ohne gesetzliche Zulassung im Handel frei erhältlich, werden häufig ohne Beratung verkauft und in Innenräumen eingesetzt. Der springende Punkt herbei: für eine baurechtliche Zulassung von Holzschutzmitteln muss deren Wirkung nachgewiesen werden – nicht aber die Unbedenklichkeit gegenüber Bewohnern.
Im Brennpunkt – Frankfurter Holzschutzmittelprozess
1984 bis 1996 fand in Frankfurt der große Holzschutzmittelprozess statt. Auf der Anklagebank saßen Manager der Firma DESOWAG, die Holzschutzmittel nachweislich für Innenräume freigegeben hatten, obwohl sie sich der gesundheitlichen Risiken bewusst waren – der Tod eines Mädchens hatte die Lawine ins Rollen gebracht. Nach einem jahrelangen Prozess wird das Verfahren mit einem Vergleich beendet.
DESOWAG muss 4 Millionen Mark für eine Professur "Toxikologie der Innenraumluft" zahlen. Gegen Zahlung einer Geldbuße wird das Verfahren vorläufig eingestellt. Hätten die Kläger den Strafprozess gewonnen, hätte die Bayer AG – als ehemaliger Hauptinhaber von DESOWAG mit einem Schadenersatzverfahren von mehreren Milliarden DM rechnen können. Die Bayer AG hätte es danach nicht mehr gegeben.
Dauerthema Asbest
[IMG]baubiologisches_bauen_2.JPG[/IMG]Auch die Verwendung von Asbest in Gebäuden ist ein Paradbeispiel für den sorglosen Umgang mit Wohngiften bis in jüngste Zeit hinein – mit verheerenden Folgen für Gesundheit und Wirtschaft.
Bereits in den 20er-Jahren erkannte man in den USA Asbest als Auslöser für Erkrankungen des Lungengewebes – in Deutschland wurde die Asbestose aber erst 1936 als Berufskrankheit anerkannt. Trotz des Wissens um dessen kanzerogene Wirkung verdoppelte sich in der Bundesrepublik zwischen 1960 und 1970 der Asbesteinsatz in Gebäuden. Erst im Jahre 1990 – also 70 Jahre nach Bekanntwerden – wurde Asbest als krebserzeugender Baustoff eingestuft. Bis zu diesem Zeitpunkt waren bereits viele Millionen Tonnen dieses Baustoffs verbaut.
Für die Beseitigung der asbestverseuchten Baumaterialien wurden seit Anfang der 90er-Jahre Milliardenbeträge ausgegeben. Allein für die Sanierung des mit Spritzasbest verseuchten Palasts der Republik sind Kosten in Höhe von 170 Millionen DM veranschlagt.
Problemfall Fertighaushersteller
Auch bei den Fertighausherstellern gibt es "schwarze Schafe", was das Thema Wohngifte anbelangt. So verklagte im Jahre 1992 das Oberlandesgericht Nürnberg einen Fertighaushersteller, der ein schadstoffbelastetes Fertighaus geliefert hatte, zu einer Zahlung von fast 400.000,- DM. In seinem Urteil stellte das Gericht fest: Formaldehyd- und Lindanausdünstungen der Baumaterialien eines Fertighauses, die unzumutbar sind und das körperliche Wohlbwefinden von Hausbewohnern beeinträchtigen, stellen einen erheblichen Fehler dar. Ist die Mängelbehebung nicht möglich, kann der Besteller Rückzahlung des Werklohns und den Geldbetrag verlangen der, für eine Neuherstellung notwendig ist.
Magic Dust – das rätselhafte Phänomen der schwarzen Wohnungen
Viele Wohngifte sind gerade deshalb besonders tückisch, weil sie unsichtbar sind. Es giebt aber auch Fälle, in denen Wohngifte ganz offensichtlich zu Tage treten. Seit etwa 10 Jahren ist ein Phänomen zu beobachten, das auf den ersten Blick kaum zu erklären ist. Bewohner von Neubauwohnungen stehen plötzlich in einer schwarzen Wohnung. Tapeten, Schränke, Gardinen, Fensterrahmen, Fliesen oder Einrichtungen sind binnen weniger Tage auf unerklärlichen Weise schwarz geworden. Oft entsteht der Eindruck, als wäre im Wohnzimmer ein Kamin verpufft oder im Schlafzimmer ein Lagerfeuer abgebrannt. Die dunklen Flächen verschmieren wie ein Ölfilm und sind selbst mit Reinigungsmitteln nur schwer zu entfernen. In diesem Zusammenhang spricht man von magic dust. Nach wie vor gibt es keine eindeutige Klärung des Phänomens. Fest steht nur: Die Ursache müssen Schadstoffe sein.
Gesetzlicher Schutz vor Umweltbelastungen
An und für sich ist Gesetzeslage bezogen auf den Schutz vor Umweltbelastungen eindeutig. So schreibt die bayerische Bauordnung in Artikel 3 Folgendes: "Bauliche anlagen sind so zu errichten, dass sie Leben oder Gesundheit und die natürliche Lebensgrundlage nicht gefährdet" Leider sieht die Praxis in vielen Fällen ganz anders aus. Analysiert man die Luft vieler Neubauten, präsentiert sich die Sachlage völlig anders.
Wohngifte – ein kurzer Blick in die "Giftküche"
Bei den typischen Wohngiften handelt es sich um leichtflüchtige Schadstoffe wie Formaldehyd und Lösemittel oder um schwerflüchtige Schadstoffe wie Holzschutzmittel, Flammschutzmittel und Weichmacher. Sie verstecken sich in Farben, Klebern, Kunststoffen, Schäumen, Möbeln, Einrichtungen, Spanplatten, Holzbehandlungen, Dichtungen. aber auch konstruktive Stoffe können belastet sein. Die Liste der chemischen Stoffe umfasst hunderte von Punkten: Biozide, Pyrethoide, Phthalate, aromatische Kohlenwasserstoffe, Ether, Esther, mehrwertige Kohlenwasserstoffe, Aldehyde, Terpene, polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, Alkohole, Ketone, LHKW, Amine, PCB, Isocyanate und Diisocyanate sind die wichtigsten Gruppen, hinter denen sich jeweils eine Vielzahl weiterer Substanzen verbirgt.
Problemfall Innenräume
Viel Räume machen allein durch mangelnde Lüftung krank. So trägt die allgemeine Raumluft mit ihren Parametern Sauerstoff, Kohlendioxid, Ionen, feuchte, Oberflächentemperatur und Luftbewegung wesentlich zum Wohlbehagen in einem Raum bei.
Neben den eben erwähnten Risiken gibt es noch eine ganze Palette weiterer Risiken, welche Wohngesundheit strapazieren und schädigen können. Im Folgenden einzelne Aspekte, die das Wohnklima innerhalb von Räumen erheblich belasten können. Wichtig dabei ist die ganzheitliche Betrachtung eines Raumes, damit keiner der schädigenden Faktoren übersehen wird. Jeder einzelne kann das Zünglein an der Waage sein.
Belastung durch Strom und Strahlung
Elektrosmog entsteht, wenn Elektrizität produziert, transportiert und verbracht wird, wenn Sender senden und Funker funken. Jedes Gerät, jedes Kabel, jede Steckdose, aber auch jede Sendeantenne und jeder Funkturm verursachen unerwünschte Nebenwirkungen, die unter dem Begriff Elektrosmog zu fassen sind. Beispielsweise überschreiten an jedem dritten Schlafplatz die elektrischen, magnetischen, elektromagnetischen Felder und Wellen die international akzeptierten Normen für Computerarbeitsplätze. Dabei ist Abhilfe hier relativ leicht möglich.
Achtung – radioaktive Strahlung
Manche Baustoffe weisen eine erhöhe radioaktive Strahlung auf. In Bezug auf Wohnräume stellt das Radongas mit seinen Folgeprodukten die biologisch riskanteste Form radioaktiver Strahlung dar. Radon ist ein radioaktives Edelgas, das über 50% aller radioaktiven Strahlenbelastungen ausmacht und wie Radioaktivität Krebs erregend ist. Radon gilt in den USA als gefährlich für die Atemwege und Lunge – genauso gefährlich wie das Rauchen. Um hier Risiken zu vermeiden, sind vor dem Hausbau verwendete Baumaterialien entsprechend zu prüfen.
Echte Gefahr – Fasern, Feinstaub, Pilze, Bakterien
30 Millionen Deutsche niesen, reiben sich die Augen, husten, ringen nach Luft, kratzen sich und ziehen die Nase hoch. Jeder fünfte Säugling quält sich mit Allergien, eine Million Schulkinder haben Asthma und Allergiker kosten die Volkswirtschaft jährlich 15 Millionen DM. Die Baubiologie geht davon aus, das 50% der Auslöser für diese Beschwerden in den eigenen vier Wänden zu suchen sind. 90% davon sind völlig unnötig und die Folge von Informationsdefiziten und ungeeigneten Baustoffen.
Von den etwa 100.000 existierenden Hefe- und Schimmelpilzarten sind etwa 120 typisch für Innenräume und können beim Menschen Krankheiten auslösen. Gerade in Kombination mit Feuchteschäden – eine Folge unsachgemäßer Verarbeitung oder ungeeigneter Baustoffe – können Hefe- und Schimmelpilze gerade bei einem geschwächten Immunsystem zu chronischen Krankheiten führen. Besorgt stellen Mediziner fest, dass die Zahl der Pilzerkrankungen ständig steigt und sprechen bereits von einer neuen Volksseuche. Auch hier gilt: geeignete Baustoffe lassen Feuchtschäden erst gar nicht zu und unterbinden damit die Gefahr von Schimmelpilzen.
Fast alle der eben erwähnten Einzelpunkte – Elektrosmog, radioaktive Strahlung, Schimmelbildung etc. – stehen miteinander in Wechselbeziehung. Staub verschlechtert die Luftionisation, Elektrostatik zieht Staub an, Radioaktivität hat Radongas zur Folge, Baufeuchte zieht Schimmelpilze nach sich, mangelnde Lüftung begünstigt Kohlendioxid und andere Schadstoffe. Alles in allem ein Geflecht an Wechselbeziehungen.
Was tun? – Konzepte für zukunftsgerechtes Bauen
Was können Leute tun, die ein Haus bauen möchten, das gesundheitliche Risiken ausschaltet? Angesichts der Komplexität der Problematik könnte man zunächst glauben, dass Kapitulation die einzig adäquate Reaktion sei. Wie jedoch gezeigt wurde, ist das mitnichten der Fall. In vielen Fällen ist – wie bereits angedeutet Abhilfe leicht möglich.
Auswahl der Baustoffe entscheidendes Kriterium
Vor allem gilt es zu bedenken, dass die Auswahl von Baustoffen ein wesentliches Kriterium für die Ökologische Orientierung eines Bauvorhabens darstellt. Allerdings ist diese Auswahl auf Grund unterschiedlichster Kriterien zunächst nicht ganz einfach: Denn der Baumarkt bietet eine unüberschaubare Vielzahl von Produkten mit teilweise irreführenden Werbeargumenten.
Produktprüfungen und -auszeichnungen bieten wertvolle Hilfestellung
Für den Laien ist es oft nicht möglich, den Schadstoffgehalt eines Baustoffs zu bestimmen. Eine wertvolle Hilfestellung zur Lösung des Dilemmas stellen unabhängige Produktprüfungen und – auszeichnungen dar, die auf wissenschaftlicher Grundlage eine hieb- und stichfeste Basis bilden.