Hightech-Baustoff Glas – Lösungen für jede Anwendung
Glas ist der
dominierende Baustoff der modernen Architektur, setzt optische Akzente und
bietet multiple technische Funktionen. Ob Wärme-, Sonnen- oder Schallschutz,
Designkomponente, Sicherheitsglas oder Teil von Solar-Anlagen – für jede
Anwendung bietet die Industrie heute Gläser mit individuell konfigurierbaren
technischen Werten. Energiesparendes Bauen steht in der Architektur meist im
Vordergrund, besonders angesichts steigender Energie- und Rohstoffpreise – die
große Herausforderung unserer Zeit. Die starke Ausdifferenzierung der
technischen Funktionen bringt mit sich, dass individuelle glastechnische
Beratung immer wichtiger wird.
Glas wird
heute nicht mehr nur als ausfachendes Element, sondern auch als tragendes oder
umhüllendes Bauteil eingesetzt. Die tiefer greifende Auseinandersetzung mit dem
multifunktionalen Baustoff erfordert einen Blick auf historische Zusammenhänge
und auch auf die rasante Entwicklung der neueren Zeit.
Einblick in
die Glashistorie
Flachglas
wird seit rund 2.000 Jahren als raumabschließendes Bauteil verwendet und gehört
damit zu den ältesten künstlichen Baumaterialien. Durch permanente
Entwicklungsarbeit bei den Herstellungs- und Veredelungsmethoden ist es
inzwischen gleichzeitig einer der modernsten Baustoffe, der wie kein anderer das
Erscheinungsbild unserer Architektur prägt. Indem dieser Baustoff heute nahezu
alle Aufgaben in einer modernen Gebäudehülle erfüllen kann, wurde der
Widerspruch zwischen dem menschlichen Grundbedürfnis nach Schutz vor der
Außenwelt und dem der gleichzeitigen Öffnung zum Licht überwunden.
Flachglas
wurde bis zur Industrialisierung mittels Guss-, Mond- oder Zylindertechnik
erzeugt: Diese handwerklich geprägten Verfahren wurden durch die Tafelglas- und
Spiegelglasherstellungsverfahren abgelöst, die bis in die 1960er Jahre
eingesetzt wurden. Maschinenglasverfahren hatten den Nachteil, dass Verzerrungen
und Welligkeiten auftraten. Für die Herstellung des höherwertigen Spiegelglases
verursachte das notwendige Schleifen und Polieren hohe Mehrkosten. Für beide
Verfahren wurden zwar im Laufe der Jahre erhebliche Verbesserungen erreicht,
dennoch konnten die Nachteile nicht grundsätzlich beseitigt werden. Um den
zunehmenden Bedarf an hochwertigem Flachglas in jeder Weise zufriedenstellend
decken zu können, mussten neue Wege beschritten werden. Zu Beginn der 50er-Jahre
fand die englische Firma Pilkington Brothers die industrielle Lösung, um hohe
Mengenausbringung, große Scheibenformate und gleichbleibend hohe Qualität zu
einem relativ günstigen Preis zu ermöglichen: das weitgehend automatische
Floatglas-Herstellungsverfahren. So wurde Glas zu einem Massenprodukt – und für
jedermann erschwinglich. Hinzu kamen in den 70er Jahren neue energetische
Anforderungen, die das Glas von heute ganz selbstverständlich erfüllt.
Einfachglas war bis zu diesem Zeitpunkt mit einem extrem hohen Wärmeverlust
(Ug = 5,8 W/m2K) die gängige Verglasungsart. Die
Entwicklung von Isolierglas und der quasi gesetzlich verordnete Einsatz ab 1977
führte zu einer deutlichen Verbesserung des Wärmedämmwertes mit 3,0
W/m2K.
Als Folge der
Ölkrise Ende der 1970er Jahre mehrte sich die Kritik an der damaligen
Glasarchitektur. Unbeschichtetes Flachglas war ein Energieverschwender. Ein
ökologischer und ökonomischer Meilenstein für mehr Energieeffizienz war die
Herstellung von Wärme- und Sonnenschutzbeschichtungen in der
Dünnfilmtechnologie.
Interpane
war eines der ersten Unternehmen, das neutrale Wärmeschutz-Beschichtungen
erfolgreich dem breiten Markt zur Verfügung stellte. Ein Beispiel ist „iplus
neutral“ (seit 1982): Es gilt als das erste farbneutrale Warmglas der
Glasgeschichte. Erreicht wurde dieses durch eine besondere Silberbeschichtung.
Das Verfahren bildet seitdem die Basistechnologie für die Herstellung von
hochwertigem Warmglas.
Glas in
Fenster und Fassade
„Am
Anfang steht der Gestaltungswille und nicht die Funktion. Die Funktion schlüpft
hinein“ (Prof. Klaus Pracht, Architekt und Autor, tätig in Bad Münder am
Deister).
Neben dem
eigentlichen Primärnutzen des Fensters wurden zunehmend differenzierte
Zusatzfunktionen – meist anwendungsbezogene und bauphysikalische Lösungen –
verlangt. Folgerichtig spricht man heute von Funktionsfenstern und Fassaden.
Primärnutzen u. a.:
· Versorgung mit natürlichem Tageslicht
· Schutzfunktion Regen, Wind und Kälte
· Transparenz oder
Transluzenz
· Kommunikationsmittel
· Frischluftzufuhr
Sekundärnutzen u. a.
· Wärmeschutz
· Schallschutz
· Sonnenschutz
· Objekt- und Personenschutz
· Brandschutz
· Temporärer Wärme- und Sonnenschutz
· Sonnenenergienutzung
· Raumbehaglichkeit
· Gestaltungsmittel
· Elektromagnetische
Dämpfung
Diese für
das Fenster charakteristischen Aufgaben sind durch spezielle, multifunktionale
Konstruktionen realisierbar. Anspruchsvolle Fenster- und Fassadensysteme
verbinden die bauphysikalisch-technischen Anforderungen mit kreativ
gestalterischer Planungsfreiheit. Derartige Systeme sind eine Herausforderung
für Architekten und Hersteller. Mit den steigenden Anforderungen an Fenster- und
Fassadenelemente werden auch an die Verglasung wesentlich höhere und
vielseitigere Ansprüche gestellt. Überwiegend handelt es sich hierbei um erhöhte
Schutzwirkungen, die nur mit modernen Funktions-Isoliergläsern erreicht werden.
Ein Multifunktions-Isolierglas vereint in sich mehrere dieser Schutzfunktionen.
Ein Beispiel hierfür ist „iplus city E“ für den gehobenen Eigenheimbau: Es
vereint eine effektive Wärmedämmung mit einem Ug-Wert von 1,1
W/m2K, wirksamen Einbruchschutz (Sicherheitsklasse P4A) und guten
Schallschutz mit einem Schalldämmwert von bis zu 40 dB (im Fenster:
Schallschutzklasse 3).
Je nach
gestalterischem Anspruch liegt das Potenzial von Glas zudem nicht nur darin,
Transparenz zu fördern und die Lebensqualität zu verbessern – es kann auch die
Lebendigkeit reflektierender Oberflächen und die Präsenz eines Baukörpers
hervorheben.
Schon im
Planungsstadium eines Gebäudes bekommt der Blick auf die technische Performance
von Isoliergläsern einen immer höheren Stellenwert. Wer Fenster und Fassaden
ausschreibt, muss exakte bauphysikalische Daten zum Bestandteil der
Leistungsbeschreibung machen. Um die vielfältigen Anforderungen, sowohl
material- als auch anforderungsgerecht im Sinne der technischen Regelwerke,
erfüllen zu können, ist die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen
erforderlich: Architekten, Ingenieure, Fachplaner, Hersteller – Beratung wird
unerlässlich.
Ausblick
Die
Entwicklungen rund um den Werkstoff Glas begrenzen sich nicht auf die
klassischen Eigenschaften wie Energieeinsparung und Sonnenschutz, sondern
verbessern und verändern auch dessen Festigkeit und Oberflächen. Man bedient
sich hier Vorbildern aus der Natur, zum Beispiel des Lotuseffektes. Auch
innovative Lösungen für dekorative Fassadenverglasungen stehen bei Planern heute
hoch im Kurs: Interpane zeigte auf der glasstec 2008 (Düsseldorf) u. a. das
Design-Glas „ipachrome“: Durch flächige oder partielle Beschichtungen bietet es
neue Möglichkeiten für kreatives Objektdesign. Das Mehrfach-Schichtsystem
bewirkt, dass das Glas so hochreflektierend wie ein konventioneller
Silberspiegel ist.
Bei aller
Produktvielfalt ist zunehmend die glastechnische Beratung von Architekten,
Planern und Bauherren von Seiten der Glasveredler gefragt. Das Interpane
Beratungscenter (IBC) im bayerischen Plattling betreut Architekten, Ingenieure,
Planer, Verarbeiter und institutionelle Bauherren aus dem In- und Ausland
telefonisch und vor Ort. Neben Architektenberatungen und technischer
Objektberatung für den Fassaden- und Fensterbau stehen Schulungen und die
Steuerung der nationalen und internationalen Zusammenarbeit von
Architektenberatern und Bedarfsträgern im Fokus.