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„Da kann ja jeder kommen“

wie Baumärkte Aufklärung über schadstoffhaltige Produkte und ihre Entsorgung verweigern

Die
unzureichende Kundeninformation über Rücknahme- und
Entsorgungsmöglichkeiten schadstoffhaltiger Polyurethan-Schaumdosen hat
sich seit vergangenen Herbst noch verschlechtert – Deutsche Umwelthilfe
veröffentlicht Ergebnisse bundesweiter Testbesuche in Baumärkten –
Verstöße gegen Informationspflichten und Kundenservice, der nicht
eingehalten wird – DUH verlangt Abhilfe und kündigt Fortsetzung der
Überprüfungsaktionen an

Baumärkte
in Deutschland unterrichten ihre Kunden vollkommen unzureichend,
teilweise sogar bewusst irreführend über die Rücknahmemöglichkeiten
aufgebrauchter schadstoffhaltiger Montageschaum-Dosen. Der Handel
verstößt damit regelmäßig gegen die Verpackungsverordnung, die in
diesem Zusammenhang der Minderung der Schadstoffbelastung im Hausmüll
und der Ressourcenschonung durch hochwertiges Recycling dienen soll.
Die schweren Versäumnisse ergaben sich aus Testbesuchen und
Testkaufaktionen, die die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) regelmäßig
und in den vergangenen Wochen erneut bundesweit in Baumärkten
durchgeführt hat.

Montageschaumdosen
auf der Basis des im Bauhandwerk weit verbreiteten Dämmstoffs
Polyurethan (PU) können die Baumärkte entweder selbst zurücknehmen und
sachgerecht entsorgen lassen (laut Verpackungsverordnung freiwillig),
oder aber ihre Kunden über andere Rückgabemöglichkeiten informieren
(laut Verpackungsverordnung verpflichtend). Nach einer Aktion vor zwei
Jahren, bei der die DUH insgesamt 2.000 Mahnschreiben an Baumärkte
verschickt hatte, um auf die Informationspflichten und bei
Nichteinhaltung drohende Bußgelder von bis zu 50.000 Euro hingewiesen
hatte, hatte sich die Kundeninformation zunächst und kurzzeitig sehr
deutlich verbessert. Nach der letzten Teststaffel informieren derzeit
mehr als ein Fünftel der Baumärkte ihre Kunden überhaupt nicht über die
Rückgabemöglichkeiten der PU-Schaumdosen. Noch im vergangenen Herbst
hatten die Testbesucher nur in wenigen Prozent der Verkaufstellen
überhaupt keine Informationen erhalten.

„Wir
empfinden es als beschämend, dass zwischen dem zeitlichen Abstand zu
den letzten DUH-Mahnschreiben und der Bereitschaft der Baumärkte, die
Kunden sachgerecht zu informieren, offenbar ein steil abfallender
linearer Zusammenhang besteht“
, kritisierte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Offenbar sei im Handel ein „taktisches Verhältnis zum Umwelt- und Gesundheitsschutz weit verbreitet“, das zumeist nur auf Sanktionsandrohungen reagiere. Die DUH fordere deshalb
unverzügliche Nachbesserungen bei der Kundeninformation. Resch kündigte
zugleich weitere Testbesuche an, bis sich die Situation wie nach der
DUH-Briefaktion vor zwei Jahren deutlich verbessert habe.

Auch in
Baumärkten, die Informationsmaterialien zu den Entsorgungsmöglichkeiten
bereitstellen, variiert nach den Recherchen der DUH-Testkäufer die
Qualität von vorbildlich über mangelhaft bis unzumutbar. Ein Fünftel
der bereitgestellten Hinweisschilder entspricht nicht annähernd den
rechtlichen Vorgaben für „deutlich erkennbare und lesbare
Schrifttafeln“. Es gebe unscheinbare Hinweisschilder, die nur
Zentimeter über dem Boden angebracht sind, Schriftgrößen, die in der
Regel nur Jugendliche entziffern können, Hinweise weit abseits des
Regals mit den PU-Schaumdosen oder auch verschwommene, schwer lesbare
Schriften auf winzigen Schildchen.

„Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel der Baumarktkette Max Bahr“, lobte die Leiterin Kreislaufwirtschaft der DUH, Maria Elander. Um die Schwelle
für die PU-Kennzeichnung abzusenken, stellt die DUH seit dem
vergangenen Jahr auf ihren Internet-Seiten Druckvorlagen für ein
entsprechendes Informationsschild bereit. „In
allen besuchten Max Bahr-Baumärkten hingen die DUH-Informationsschilder
gut sichtbar für die Verbraucherinnen und Verbraucher auf Augenhöhe an
den Verkaufsregalen.“

Jährlich
setzen Profis und Heimwerker beim Dämmen und Abdichten von Fugen und
beim Einbau von Fenstern und Türen rund 25 Millionen Dosen
Montageschaum ein. Ausgehärteter PU-Schaum verhält sich umweltneutral
und stellt somit keine Belastung für Mensch und Umwelt dar. Die
benutzten PU-Schaumdosen beinhalten jedoch auch noch nach dem Gebrauch
problematische und gesundheitsschädliche Reststoffe. Sie fallen deshalb
unter die Kategorie der „besonders überwachungsbedürftigen Abfälle“.
Sie dürfen deshalb nicht über den Hausmüll, den Bauschuttcontainer oder
den Gelben Sack entsorgt werden, sondern müssen bei kommunalen
Sammelstellen oder in so genannten Schadstoffmobil abgegeben werden.

Auf
freiwilliger Basis bieten einige Baumärkte die Rücknahme der
verwendeten Dosen an. Allerdings ergaben sich auch in diesem Fall
ernüchternde Erkenntnisse. Bei einem ersten Testbesuch fragten die
DUH-Mitarbeiter die Rücknahmebereitschaft ab und stießen auf eine fast
90-prozentige Bereitschaft, grundsätzlich leere PU-Schaumdosen von
Endverbrauchern zurückzunehmen. Die Probe aufs Exempel ergab dann
andere Resultate. Tauchten die DUH-Testbesucher tatsächlich mit in der
Regel drei bis fünf leeren PU-Schaumdosen in den Baumärkten auf,
verweigerten mehr als 70 Prozent die Rücknahme in teilweise rüdem Ton.
Man sei „doch kein Abfalllager“ und „da kann ja jeder kommen.“ Weitere
fast 15 Prozent erklärten sich zur Rücknahme unter dem ausdrücklichen
Hinweis „ausnahmsweise und einmalig“ bereit. „Das
Versprechen einer verbraucherfreundlichen Rücknahme ist in vielen
Fällen noch leerer als die benutzten PU-Schaumdosen. Der angebliche
Kundenservice der Baumärkte erweist sich als gezielte Fehlinformation
und Verbrauchertäuschung
“, sagt Resch.

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