BAM-Forscher auf der Hannover Messe 2011
Bauteile aus Keramik können starke Belastungen aushalten, doch in der Konstruktion sind ihnen Grenzen gesetzt. Komplizierte Formen im Inneren eines Bauteils waren bisher kaum herstellbar, weil sich der Werkstoff nicht verschweißen ließ. BAM-Forscher eröffnen mit einer neuen Fertigungsmethode jetzt weitere Einsatzgebiete für die Keramik. Ihr Ausgründungsunternehmen „Fügetechnik Berlin“ präsentiert sich auf der Hannover Messe auf dem Stand der BAM, Halle 2 Stand A18.
Wenn ein keramisches Bauteil in den Brennofen der Firmengründer geschoben wird, hat es den wichtigsten Fertigungsschritt schon hinter sich: In seinem Inneren befindet sich dann eine feine Röhrenstruktur, ein strömungsbrechendes Element oder eine andere komplizierte Form, die mit herkömmlicher Technik nicht realisierbar wäre. Diese neuen Möglichkeiten eröffnet eine an der BAM weiterentwickelte Spritzgusstechnologie.
Das LPIM – die Abkürzung steht für „Low Pressure Injection Molding“ – ist eine spezielle Form des Niederdruckheißgießens. Verwendet wird ein Versatz aus Binder, Additiven und Keramikpulvern, der so genannte Feedstock. Dessen spritzgegossene Komponenten lassen sich miteinander verschweißen. Verschweißen heißt definitionsgemäß nichts anderes als Einzelteile durch Temperatur und Druck (und ohne Zusatzmaterialien) zu verbinden. Nach dem Fügen können die Bauteile über Entbinderungs- und Sinterprogramme zu einem homogenen und hochfesten Keramikkörper weiter verarbeitet werden.
Carl Paulick, Erfinder des patentierten neuen Verfahrens, sieht seine Technik ganz in der Tradition klassischer Schweißverfahren. „Wir machen praktisch nichts anderes, die Definition des Schweißens trifft deshalb auch auf unsere Methode zu“, sagt Paulick.
Der Diplom-Physiker Paulick widmet sich dem Fügen von Keramik bereits seit sechs Jahren an der BAM und schätzt das wirtschaftliche Potenzial hoch ein: „Fügetechnik Berlin“ ist ein Ausgründungsprojekt, das vom EXIST-Forschungstransferprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie gefördert wird. Das vierköpfige Team ist auf komplex geformte Bauteile aus Hochleistungskeramik für den industriellen Einsatz spezialisiert. „Wir sind sowohl auf Einzel- als auch Serienfertigung vorbereitet und beraten auch bei der Konstruktion der Bauteile“, sagt Paulick.
Keramik kann bestehende, sich zu schnell abnutzende Bauteile aus anderen Werkstoffen ersetzen. Sie bietet sich an, wenn Bauteile beständig gegen Chemikalien, Umwelteinflüsse oder Strahlung sein müssen, wenn hohe Temperatur- oder Korrosionsfestigkeit gefragt ist oder extreme Belastungen durch Reibung vorliegen. Entsprechende Bauteile finden sich in Rühr- und Knetwerken, in Wärmetauschern, Mikroreaktoren oder Pumpen.
Die BAM zeigt in Halle 2 Stand A18 neben dem beschriebenen Keramikschweißen noch drei weitere technische Neuerungen: ein neues Laser-Hybrid-Orbitalschweißen im Pipelinebau, die Emissionsmessung zum Schutz von Kunst- und Kulturgut in Museen sowie eine Messvorrichtung zur Kontrolle des Aushärtungsverlaufs bei Faserverbundmaterialien.