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Neue Impulse für den Wohnungsbau

Von Kunibert Gerij, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der UNIPOR Ziegel Gruppe

Das
politische Meinungsbild „Deutschland sei gebaut“ hat zu fatalen Folgen für das
Baugewerbe sowie für die Bau- und Wohnungswirtschaft geführt

Die unterdurchschnittliche
Eigentumsquote im internationalen Vergleich, die Altersstruktur des
Wohnungsbestandes und die aufgrund der demographischen Entwicklung veränderten
Wohnbedürfnisse werden in fahrlässiger Weise nicht gewürdigt.

Der Deutsche
Mieterbund stellt in seiner Mieter-Zeitung, Ausgabe Juni 2007, fest: „Die
Fertigstellungsrate von Wohnungen reicht nach wie vor nicht aus, den Wohnungsbedarf
zu befriedigen und weist auf die Wohnungsbedarfsprognose des Bundesamtes für
Bauwesen und Raumordnung in Bonn von Anfang des Jahres 2006 hin, dass zwischen
2006 und 2010 jährlich rund 280.000 Wohnung gebaut werden müssen.“
 

Allein für
Baden-Württemberg stellt eine Studie des Leibnitz-Institutes ein Nachfragepotential
zwischen 2005 und 2015 von circa 577.000 Wohnungen fest. Das Ministerium für
Bau- und Wohnungswesen in Düsseldorf weist für NRW auf die Folgen des
Rückganges im Mietwohnungsbau hin und schätzt den jährlichen zusätzlichen Wohnungsbedarf
zwischen 65.000 und 80.000 Wohnungen. Dieses Bedarfspotential stellt sich
analog auch in den anderen alten Bundesländern.
 

Eine weitere
Zukunftsaufgabe der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sind die Auswirkungen
des demographischen Wandels auf die Wohnbedürfnisse der älteren und
pflegebedürftigen Bevölkerung. Der Anteil der altersgerechten Wohnungen liegt
in Deutschland bei nur 1 Prozent.
 

Die Altersstruktur des Wohnungsbestandes und die
aufgrund des demographischen Wandels resultierenden veränderten Wohnbedürfnisse
machen sicherlich ein Umdenken der Wohnungswirtschaft erforderlich. Deshalb
braucht die Wohnungswirtschaft ein „integriertes Infrastrukturprogramm“ auch
für die vom Strukturwandel betroffenen Regionen in den alten Bundesländern. Ein
solches integratives Programm muss einen anderen, ganzheitlichen Ansatz verfolgen.
 

Der
Neubaubedarf ergibt sich zum gewichtigen Teil als Ersatz für den Abriss, die Zusammenlegung
oder Umwandlung von Wohnungen. Es ist – anders als noch vor einem Jahrzehnt –
nicht nur ein Wachstumsbedarf sondern insbesondere in den Städten ein Erneuerungs-
und Anpassungsbedarf.

Aus dem Altersstrukturanteil des Wohnungsbestandes,
der ohne weiteres auf andere Bundesländer zu übertragen ist, kann insbesondere
für die Bestände von 1948 bis 1959 ein erhebliches Bestandsersatzkonzept
abgeleitet werden.
 

Problematisch sind vor allem die
Bausubstanz und der Zuschnitt dieser Wohnungen, die in der Notsituation nach
dem 2. Weltkrieg errichtet wurden. Diese Wohnungen haben Wohnungsgrundrisse von
45 bis 48 m² für Familien mit zwei oder drei Kindern. Für diese
Wohnungen sind Sanierungskonzepte unter ökonomischer und marktorientierter
Betrachtung nicht sinnvoll.
 

Die bautechnische und wohnungswirtschaftliche
Beurteilung dieser Wohnungsbestände, die mit dem Standard des 1. WoBauG
errichtet wurden, hat zu dem Ergebnis geführt, dass eine Renovierung mit Kosten
verbunden ist, die deutlich oberhalb der vergleichbaren Neubaukosten liegen.
 

Ein
weiteres Problemfeld sind vier- und mehrgeschossige Gebäude ohne Aufzug. Unter
Zugrundelegung der 1-Prozent-Stichprobe des Statistischen Bundesamtes von 1978
ergibt sich folgendes Bild:
 

In
der damaligen Bundesrepublik gab es rund 565.000 Wohngebäude mit 7 und
mehr Wohnungen, folglich mit einem Gesamtwohnungsbestand von circa 6,5
Millionen Wohnungen. Unter der Voraussetzung, dass in den Baujahrgängen bis
1978 lediglich 10 Prozent der mehrgeschossigen Gebäude einen Aufzug
besaßen, gibt es aus diesen Jahrgängen rund 610.000 Gebäude mit knapp 6
Millionen Wohnungen ohne Aufzug. Da auch in den Jahren nach 1978 noch 4
Geschosse in erheblicher Anzahl ohne Aufzug gebaut worden sind, schätzt die Wohnungswirtschaft
die Gesamtzahl der Gebäude ohne Aufzug in der alten Bundesrepublik auf circa
650.000. Ein zusätzliches Defizit dieser Wohnungen sind die nicht mehr
bedarfsgerechten Wohnungszuschnitte.
 

Hier
bietet sich die große Chance, nicht ausschließlich durch Sanierungs- sondern
auch durch Bestandsersatzkonzepte ein sinnvolles, den Herausforderungen von
neuen Wohnbedürfnissen angepasstes Neubauvolumen zu schaffen.
 

Ein
wichtiger Schritt für die Umsetzung dieses Konzeptes für den geförderten und
frei finanzierten Wohnungsbau wäre die Erweiterung der Mittelverwendung der
Modernisierungs- und Renovierungs­programme der KfW auch für den Bestandsersatz.
 
Mit attraktiven und den neuen Wohnbedürfnissen, insbesondere für ältere
Menschen, angepassten Neubauwohnungen in den Innenstädten kann die Zuwanderung
gefördert werden. Schließlich führt ein Abriss und Neubau überwiegend zu einer
Verdichtung der Bebauung, die Infrastruktur in den Städten wird besser
ausgenutzt und eine Versiegelung weiterer Flächen im Umland unterbleibt.
 

Des Weiteren können mit dem
dargestellten Bestandsersatzkonzept wichtige politische Ziele realisiert werden:
 

·       Schonung der
Grundstücksressourcen

·       Erhalt der
Kaufkraft in den Städten

·       Bessere
Ausnutzung von Energieeinsparkonzepten durch Neubau

·       Verbesserung der
Standortqualität

·       Schaffung neuer
Wohnungsqualität für behinderte und ältere Menschen
 

Unter differenzierter Betrachtung von regionalen
Märkten haben wir einen Anpassungs- und Erneuerungsbedarf, in den
Ballungszentren einen Wachstumsmarkt für altersgerechten Wohnraum und einen
erheblichen Investitionsbedarf für betreutes Wohnen, Pflegeheime und sonstige
soziale Einrichtungen. 

Politische Rahmenbedingungen

Bereits in den letzten Jahren wurden die Rahmenbedingungen für
Investoren von Immobilien durch die Steuergesetzgebung erheblich
verschlechtert.

Mit der neuen Unternehmens- und Erbschaftssteuerreform werden
insbesondere mit der Einführung der Zinsschranke und der geplanten Neubewertung
von Immobilien weitere investitionshemmende Rahmenbedingungen für Investoren
geschaffen. Die Freigrenze von 1 Million Euro (Darlehensvolumen von circa 20
Millionen Euro) wird von vielen mittelständischen Wohnungsbauunternehmen
überschritten.
Die Politik kann nicht durch das Mietrecht die Spielräume der
Kostenmiete eingrenzen bzw. den Mietzins deckeln und noch zusätzlich die
steuerlichen Instrumente für die Förderung von bezahlbarem Wohnraum abschaffen.
 

Kapitalanlageberater (zum Beispiel Fuchsbrief) empfehlen aufgrund der
anstehenden Erbschaftssteuerreform das Jahr 2007 als Zeitpunkt, sich vom
Immobilienbestand zu trennen und nicht mehr in Immobilien zu investieren.
 

Länder, wie zum Beispiel Österreich, bewerben deutsche Investoren mit
Hinweis auf die Unternehmens- und Erbschaftssteuerreform in Deutschland.
 

Weitere
Auswirkungen der politischen Signale „Deutschland ist gebaut“ sind überzogene
Bonitäts- und Eigenkapitalanforderungen der Banken für Investments im Wohnungsbau,
aber auch bei Investitionen der Bauindustrie. Folglich werden diese von
Wohnungswirtschaft und Industrie zurückgestellt.
 

Die Finanzpolitik muss realisieren, dass eine
Gegenfinanzierung durch Steuereinnahmen aus Investitionen durchaus eine
Alternative sein kann.
 

Die geplanten finanzpolitischen Entscheidungen werden
aufgrund der ausbleibenden Investitionen den Binnenmarktmotor „Bau“ weitgehend
zum Erliegen bringen und nicht nur negative Auswirkungen auf der
Steuereinnahmenseite nach sich ziehen, sondern insbesondere die mittelständisch
geprägte Zulieferindustrie, das Baugewerbe und die Branche der Architekten und
Ingenieure gefährden.
 

Das Mietrechtsreformgesetz vom 01.09.2001 und weitere
überzogene Forderungen im Mietrecht, wie zum Beispiel die aktuelle Forderung
des Verbraucherschutzes, die Heizkosten für den Mieter zu begrenzen und die
Mehrkosten dem Vermieter anzulasten, steigern sicherlich auch nicht die
Investitionsbereitschaft.
 

Dokumentiert wird das dargestellte Szenario durch
Absatzrückgänge der deutschen Mauerwerksindustrie von circa 40 Prozent,
Baugenehmigungsrückgänge von circa 50 Prozent. Diese Zahlen sind bereits
eine schwere Hypothek nicht nur für dieses, sondern auch schon für das Jahr
2008. Der dramatische Einbruch im Ein- und Zweifamilien-Hausbau zeigt auch auf,
dass die Eigenheimzulage keine „Mitnahmezulage“ war, sondern ein Instrument für
Schwellenhaushalte, ihren Wunsch nach Wohneigentum zu verwirklichen.
 

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass
Wirtschaftswachstum ohne die volkswirtschaftlich unverzichtbare Säule „Bauwirtschaft“
mit ihrer beschäftigungspolitischen Wirkung nicht realisierbar ist.
 

Durch eine Verstetigung der Bautätigkeit, die zu
einer Stabilisierung der Bauwirtschaft führt, kann sichergestellt werden, dass
auch in Zukunft noch ein funktionierender Wirtschaftszweig in Deutschland
existiert, der dann die drängenden Infrastruktur- und Wohnraumprobleme lösen
kann.
 

Einen beschäftigungspolitisch bedeutenden
Wirtschaftszweig durch Fehleinschätzung seiner Wachstumspotentiale in
„Wartestellung zu positionieren“, bedeutet in der Konsequenz:

·       Verhinderung von
Wirtschaftswachstum

·       Existenzielle
Bedrohung von Mittelstandsunternehmen

·       Förderung der
Arbeitslosigkeit

·       Wohnungsmangel

·       Steigende
Wohnungsmieten.

dako pr corporate communications

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