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Bauen im Bestand:

Stolperstein Architektenurheberrecht

Das Bauen im Bestand wird durch Urheberrechte des Architekten oft erschwert. Dies zeigt sich am Rechtsprechungsfall des Bahnhofsbaus „Stuttgart 21“.

Der Fall

Der Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs („Stuttgart
21“) sieht Änderungen und den Teilabriss des Gebäudebestands
(„Bonatz-Bau“) vor. Der einzige Erbe des damaligen Architekten Paul
Bonatz verklagt den Bauherrn, die Deutsche Bahn AG, auf Unterlassung der
baulichen Veränderungen.

Das LG Stuttgart, Urt. v. 20.05.2010 – 17 O 42/10 – (nicht rechtskräftig)

weist
die Klage ab. Die Begründung: Es besteht kein Änderungsverbot, sondern
die Änderung ist nach § 39 UrhG zu dulden. Zwar handelt es sich um eine
urheberrechtlich erhebliche Änderung i.S.d. § 39 I UrhG: Erstens ein
urheberrechtlicher Schutz des Bahnhofsgebäudes. Die Schutzdauer von 70
Jahren nach dem Tod des Architekten Paul Bonatz ist noch nicht
verstrichen. Der Teilabriss dieses bedeutenden Werks der Baukunst und
die weiteren Umbauten stellen eine ganz erhebliche Änderung dar.
Zweitens rechtfertigt die Unanfechtbarkeit des
Planungsfeststellungsbeschlusses nicht eine Verletzung von
Architektenurheberrechten. Drittens ist dadurch, dass der Kläger seine
Rechte zeitweise nicht verfolgt hat, noch keine Verwirkung eingetreten.

Aber:
Die Änderung ist vom Urheberrechtsinhaber nach § 39 II UrhG zu dulden.
Denn die Interessenabwägung fällt zugunsten des Interesses des Bauherrn
an der Nutzung und Änderung seines Eigentums aus: Erstens ergibt der
damalige Architektenvertrag, dass Paul Bonatz gewisse Änderungen
hinzunehmen bereit war, auch wenn es sich vorliegend um weitergehende
Änderungen handelt. Zweitens ist das Erhaltungsinteresse des Erben stark
reduziert, weil seit dem Tod des Architekten bereits 54 Jahre
verstrichen sind (sog. Verblassungsrechtsprechung des BGH). Drittens hat
das Änderungsinteresse des Bauherrn, der Deutschen Bahn AG, als
Eigentümer eines Gebäudes, das öffentlichen Zwecken dient, nämlich dem
Schienenverkehr, hier ein überwiegendes Gewicht.

Empfehlung der auf Immobilienwirtschaftsrecht, Bau- und Architektenrech spezialisierten  Berliner Rechtsanwälte Lill:

Das
Bauen im Bestand (u. U. auch: Eingriffe in die Innenarchitektur) kann
durch Architektenurheberrechte massiv erschwert werden: Erstens kann der
Architekt durch seinen Unterlassungsanspruch den Bau blockieren, sogar
gerichtliche Baustopps durch einstweilige Verfügungen sind möglich.
Zweitens kann man oft nur schwer prognostizieren, wie ein Gericht die o.
g. Abwägungsfrage entscheiden wird. Denn die wertende Gewichtung
zahlreicher Einzelfallaspekte gibt viel Spielraum, wie das vorliegende
Urteil zeigt. Zudem handelt es sich nur um ein erstinstanzliches Urteil,
Rechtssicherheit besteht also u. U. noch lange nicht.

Die Lösung
besteht darin, den Architekten frühzeitig einzubinden. Bei Neubauten
muss in den Architektenvertrag ein Änderungsrecht des Bauherrn
hineinverhandelt werden (Achtung: Musterverträge sind i. d. R. AGB, dort
kann ein entschädigungsloser Totalverzicht des Architekten unwirksam
sein). Bei Bestandsbauten gilt: Bereits beim Ankauf ist zu klären, ob
der Verkäufer Änderungsrechte hat, diese sollten übertragen

werden.
Besteht kein Änderungsrecht, so gibt es folgende Lösungsansätze: Sind
die Änderungen klar und abschließend definierbar, so kann es genügen,
wenn man hierzu die Zustimmung des Architekten einholt. Anderenfalls
benötigt man umfassende Änderungsrechte: Entweder man schließt mit dem
bisherigen Architekten einen Vertrag über den Umbau samt Zustimmung zu
allen Änderungen. Oder man kauft ihm das Änderungsrecht ab und
beauftragt den Architekten der eigenen Wahl.

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